Siebenbürgen (08.09. – 20.09.2007)

Die Studienreise begann mit zehn Teilnehmern am Samstag, 8. September 2007 mit dem Flug von Berlin – Schönefeld nach Budapest. Dort wurde die Reisegruppe durch den Reiseleiter, Christof Kaiser, und den Bus der ungarischen Firma Top Busz Kft. mit dem Fahrer, Herrn László Kovács erwartet. Bereits am frühen Abend erreichten wir die rumänische Grenze. Kurz darauf trafen wir in Oradea / Grosswardein / Nagyvárad ein. Dort, im katholischen Zentrum Posticum bereitete uns der Leiter, der Pfarrer Hr. Rencsik, einen freundlichen Empfang. Schnell entwickelten sich lebhafte Diskussionen zum Thema Konfessionen und interkonfessionelle – interethnische Beziehungen in Rumänien.

Nach dem Besuch des katholischen Gottesdienstes im Posticum- Kirche und der Besichtigung der überaus interessanten, weitgehend vom Jugendstil geprägten Innenstadt, der großen barocken Kathedrale, der Festungsrelikte und der verfallenden großen Synagoge, fuhren wir am 9. 9. aufwärts im Tal der Schnellen Kreisch in Richtung Siebenbürgen. Einen kürzeren Halt gab es in Huedin / Bánffyhunyad ein. Ein Besuch der ungarischen spätromanischen, reformierten Kirche mit einer beeindruckenden hölzernen bemalten Kassettendecke und reich bestickten Wandbehängen sowie die Führung durch den Pfarrer wies auf die Lebendigkeit des Gemeindelebens hin. Anschliessend besuchten wir das Haus der weitbekannten ungarischen Volkskünstlerfamilie Kudor in Huedin. Abends erreichten wir Cluj / Klausenburg / Kolozsvár, mit über 300.000 Einwohnern die größte Stadt Siebenbürgens und die größte Stadt, die wir auf der Reise besuchten. Im großen Betlen – Kata – Gästehaus der reformierten Kirche, unserem Heim für die kommenden Tage, wurden wir freundlich empfangen.

Den 10. sowie 12. und 13. 9. verbrachten wir ganztägig in Klausenburg. Dabei gab es einen Besuch der reformierten Kirche in der Wolfsgasse (15. Jh.) mit sehr vielen kunst- und kulturgeschichtlichen Details. Des weiteren besuchten wir die Hauptkirche der Stadt, die gotische St. Michaelskirche (ab dem 14. Jh. erbaut) auf dem zentralen Platz in der Altstadt, dem Piata Unirii / Einheitsplatz gelegen. Prof. András Biró führte uns durch das Universitätsklinikum III in der Innenstadt, wo wir einen Eindruck eines sich langsam modernisierenden und intensiv genutzten Krankenhauses erhielten und anschliessend im Gespräch mit Ärzten und Pflegern vieles erfahren konnten. Des weiteren stand ein Besuch der deutsch – rumänischen Stadtplanungs – Firma Planwerk auf unserem Programm. In den Büroräumen führte uns Hr. Benjamin Kohl die Arbeiten der Firma bei der Gestaltung der Innenstadt von Klausenburg vor. Hr. Dr. Radu Ardevan, Archäologe an der Universität, bot uns eine exzellente Stadtführung, wobei wir viele Details der Stadtgeschichte in einem kohärenten Zusammenhang dargestellt bekamen. Vom Burgberg aus hatten wir einen weiten Blick auf die Stadt, deren Stadtteile und auch einzelne Gebäude uns Hr. Ardevan von hier gut erklären konnte. Abends begleitete uns Dr. Peter László – Herbert in ein gut besuchtes Orgelkonzert von Erich Türk in der St. Michaelskirche. Frau Gerda Türk organisierte anderntags für uns ein Konzert mit mehreren ihrer besten Schüler in der Klausenburger Musikschule im früheren Refektorium der erhaltenen gotischen Klosteranlage.

Am 11. 9. besuchten zunächst das Bánffy – Schloss in Rascruci aus dem 18. Jh. Im Gebäude befand sich bis vor kurzem noch ein Kinderferienheim, wodurch das Gebäude leidlich erhalten werden konnte. Ehemalige Angestellte waren nun damit beschäftigt, das letzte Mobiliar des Heimes herauszutragen. Danach würde das Schloss mit seinen imposanten Holzvertäfelungen und Verzierungen im Inneren wohl der vollständigen Vandalisierung anheim fallen, wie uns versichert wurde. Dies dürfte damit ein weiterer der zahlreichen Fälle im Lande sein, wo eigentlich bedeutendes kulturelles Erbe, was die nationalkommunistische Zeit noch überstanden hatte erst in der Zeit seit 1990 der restlosen Plünderung und Vandalisierung zum Opfer fällt.

Den zweiten Stop machten wir am Schloss Bontida / Bruck / Bonchida, dem sogenannten “siebenbürgischen Versailles”. Diese einstmals sehr prächtige Schlossanlage wurde seit dem 16. Jh. nach und nach von der Adelsfamilie Banffy aufgebaut und immer wieder umgebaut. Nach weitgehenden Zerstörungen im 2. Weltkrieg und dann bis Ende der 1990er Jahre, wird diese große Anlage heute als ungarisch – rumänisches Gemeinschaftsprojekt wieder aufgebaut. Danach machten wir Erkundungen zu Fuß in dem, in der im 18. Jh. von aus der Moldau geflüchteten Armeniern als Barockstadt angelegten Gherla / Neuschloss / Szamosújvár. Dabei besuchten wir die erste Kirche, die 1723 erbaute armen.- kath. Salomon – Kirche. Danach erhielten wir eine kurze Führung durch das Stadtmuseum und anschliessend schauten wir den Hauptplatz mit der ab 1748 im Barockstil erbauten großen Dreifaltigkeits – Kirche an. Entlang einer neueren orthodoxen Kirche gingen wir dann noch bis zum großen alten Stadtpark. Ein Kurzbesuch zeigte uns das in nationalkommunistischer Zeit berüchtigte Gefängnis im alten Martinuzzi – Schloss leider nur von außen. Da es weiterhin als Gefängnis genutzt wird, konnte unsere Reiseteilnehmerin Frau Theil, deren Vater dort inhaftiert war, keinen Besuch drinnen bzw. weitere Recherchen dort machen. Bei der Ausfahrt aus Gherla hielten wir kurz bei der Synagoge, die auf die auch hier zahlreiche jüdische Gemeinde des 19. und frühen 20. Jh. hinweist. Anschließend verließen wir das Tal des Kleinen Somesch um unseren kurzen Abstecher in die CâmpiaTransilvaniei, die sehr weitläufige, hügelig – baumarme Siebenbürgische Heide zu machen. Nach wenigen Kilometern erreichten wir das Dorf Nicula und dann das hoch über dem Dorf gelegene gleichnamige Kloster. Diese im 16. Jh. als orthodoxes Kloster gegründete Anlage wurde im 18. Jh. griechisch – katholisch und zu einer wichtigen Pilgerstätte. Hier entstand im 18. Jh. auch die erste und bedeutendste rumänische Klosterschule für Hinterglasmalerei. 1948 wurde dieses Kloster zwangsweise orthodox. Es wurde auch nach 1990 der griechisch – katholischen Gemeinde nicht zurückgegeben. Danach fuhren wir in ein typisch ungarisches Dorf der Siebenbürgischen Heide, den im Mittelalter sehr wichtigen Salzbergbauort und Komitatssitz Sic /Szék um uns im Restaurant Sóvirag / Salzblume eine eigens bestellte lokale magyarische Volkstanzgruppe anzusehen. Im Ortszentrum der ausgedehnten Siedlung besichtigten wir die aus dem 13. Jh. stammende reformierte Kirche. Anschließend fuhren wir entlang eines großen Naturschutzgebietes mit einem ausgedehnten Moor durch die besondere, karge Landschaft der Siebenbürgischen Heide zurück nach Cluj.

Die Fahrt von Cluj nach Sibiu am führte uns am 14. 9. durch Turda / Thorenburg / Torda. Hier besichtigten wir zunächst die reformierte Kirchenburg (entstand im 16. Jh.), dann das Stadtzentrum mit der katholischen Pfarrkirche wo 1557 die Grundlage der religiösen Toleranz beschlossen wurde. Der Besuch des sehr quirligen Marktes und des in Renovierung befindlichen Adelspalais, wiederholt Sitz der siebenbürgischen Fürsten, rundeten den Besuch Turdas ab. Auf der Weiterfahrt erfolgte ein kurzer Abstecher zur Romasiedlung am Rande von Unirea, wo wir die viele kleinen Häuschen sahen und die prekären Lebensbedingungen hier erahnen konnten. Beim nächsten Halt in Aiud / Strassburg am Mieresch / Nagyenyed besichtigten wir die mächtige Kirchenburg (15. Jh.) mit den zwei Kirchen der Sachsen (lutherisch) und der Ungarn (reformiert). Darauf machten wir einen Besuch im 1662 gegründeten reformierten Gabriel – Bethlen – Kollegium, mit wertvoller Dokumentarbibliothek. Frau Stanescu, eine gut informierte Stadtbewohnerin, sorgte mit ihren Erzählungen schliesslich für eine kurzweilige Kaffeepause. Das Programm setzte sich mit einem mehrstündigen Besuch von Alba Iulia / Karlsburg (früher Weissenburg) / Gyulafehérvár fort. Dabei stand der Besuch der alten Festung mit den Festungsanlagen, der Dom, erbaut ab dem 11. Jh., und Inbegriff romanischer Baukunst in Siebenbürgen, sowie der Besuch der orthodoxen Vereinigungskirche, erbaut 1922 zur Krönung der rumänischen Könige, im Mittelpunkt. Abends erreichten wir unser Ziel Ocna Sibiului / Salzburg, nahe Sibiu / Hermannstadt, wo wir für die letzten Reisetage unser Quartier in der renovierten alten Villa “Mary Luisa” nahmen.

In Sibiu / Hermannstadt / Nagyszeben, genau in diesem Jahr zusammen mit Luxemburg Kulturhauptstadt Europas, erkundeten wir weite Teile der Altstadt zu Fuß. Der Große und der Kleine Ring, die zentralen Plätze und die Fußgängerzone der Heltauer Gasse / Str. N. Balcescu zeigten sich großenteils frisch renoviert. Ein langer Besuch führte uns zu Herrn Dr. Wolfram Theilemann, dem Leiter des Friedrich – Teutsch – Hauses. Dieser erläuterte eingehend die Tätigkeit des Zentrums mit dem Kirchenarchiv und zeigte das didaktisch gut aufgebaute kleine Museum und die jüngst wiedereröffneten, schön renovierte Johanniskirche, die teils mit Gegenständen (Flügelaltar, Taufbecken) aus aufgelassenen sächsischen Dorfkirchen ausgestattet ist. Im hauseigenen Büchercafé Erasmus gibt es eine größere Auswahl an Siebenbürgen – Büchern.

Am Sonntag, dem 16. 9. fuhren wir zunächst in das Dorf Sibiel, unterhalb des Cândrel – Gebirges und Teil des traditionell wohlhabenden Schaftzuchtgebietes der Marginimea Sibiului. Wir besuchten das 1968 gegründete Ikonenmuseum mit über 700 Hinterglasikonen aus dem 18. und 19. Jh. sowie die nebenliegende kleine Dorfkirche. Auf dem Rückweg nach Sibiu hielten wir in Cristian / Grossau und umrundeten zu Fuß die sehr wehrhafte Kirchenburg (15. / 16. Jh.) mit hohen Mauern im Dorfzentrum.

Frau Anneliese Tuth führte uns nachmittags mehrere Stunden durch die Altstadt von Hermannstadt. Dabei wurden viele einzelne Gebäude und ihre Geschichte detailliert und sehr lebendig und liebenswürdig vorgestellt. So bekamen wir u.a. wenig besuchte mittelalterliche Wohntürme zu Gesicht, besuchten einige Innenhöfe und erfuhren Details zur Stadtbefestigung. Zum Ausklang des Nachmittags mit Frau Tuth besuchten wir das rustikal im rumänischen ländlichen Stil eingerichtete gute Restaurant Sibiul Veche.

Am 17. 9. starteten wir morgens zu einer kleinen Rundreise durch das Harbachtal und nach Schässburg. Zunächst galt es aber noch, im Vorort Neppendorf die großen Paläste des Roma – Königs Cioaba zu finden. In Hermannstadt gesellte sich der Redakteur Horst Staedel aus Köln zu unserer Reisegruppe hinzu. Erster Punkt war Rosia / Rothberg, wo wir den Pfarrer und inzwischen sehr bekannten Schriftsteller Herrn Eginald Schlattner auf seinem Pfarrhof besuchten. Ein interessantes Gespräch über seine Werke begann und führte hin zu seiner Tätigkeit als Gefängnissseelsorger. Dieses Thema wurde von Herrn Schlattner mit vielerlei Einsichten in den rumänischen Alltag dargestellt. Über diesen Besuch und die Werke Eginald Schlattners veröffentlichte unser Reiseteilnehmer Hr. Dr. Pertsch zwischenzeitlich eigens eine informative Broschüre. Nach dem Besuch in der Rothberger Kirche (erbaut ab 1225) ging es dann ins Harbachtal / Valea Hârtibaciului. Dieses gesamte weitläufige Tal war bis vor zwei, drei Jahrzehnten noch überwiegend von Siebenbürger Sachsen bewohnt. In Agnita / Agnetheln, dem kleinstädtischen Zentrum des Harbachtals, besichtigten wir die große, in weiten Teilen gut erhaltene Kirchenburg mit der teils romanischen, teils gotischen Kirche. Anschliessend erreichten wir die Kirchenburg in Apold / Trappold. Der Tischler S. Bethge aus Berlin setzt seit 2003 diese Kirchenburg Stück für Stück wieder instand. Das Projekt wurde im September 2006 der DRG – Berlin bei einem Jour Fixe vorgestellt. Das malerisch gelegene Dorf wird inzwischen angeblich zu 80 % von Roma bewohnt.

Sighisoara / Schässburg / Segesvár wurde zu einem der touristischen Höhepunkte der Reise. Ein langer Rundgang führte uns zu den Hauptattraktionen dieser komplett unter Denkmalschutz, seit 1999 auch UNESCO – Schutz, stehenden mittelalterlichen Altstadt. Es ging bis hinauf zur Bergkirche. Dabei wirkte die Stadt, aufgrund der unzähligen „Bauprojekte“ und der rasch zerfallenden Wehranlagen so verstaubt und grau wie selten in den letzten Jahrzehnten. Dennoch hinterließ die Stadt mit ihren mächtigen Mauern und Türmen besonders dem gewaltigen Stundturm einen bleibenden, immer wieder einzigartigen Eindruck.

Am 18. 9. fand ganztägig in Räumen der Lucian – Blage – Universität Sibiu die von der DRG – Berlin gemeinsam mit dem dortigen Institut für Ökumenische Forschung und der Konrad Adenauer Stiftung Bukarest organisierte Tagung zum Thema „Religion und Gesellschaft in Rumänien“ statt. Diese war von Frau Jähnig und Frau Prof. De Neve wesentlich vorbereitet worden. Darüber wird an anderer Stelle von der DRG berichtet. Alle Reiseteilnehmer und viele weitere Personen besuchten die Tagung und es gab dort interessante Vorträge und Diskussionen.

Am 19. 9. begann die Rückreise aus Rumänien. Dabei besuchten wir noch die Kleinstadt Sebes / Mühlbach mit der sehr beeindruckenden lutherischen Stadtpfarrkirche, das wichtigste gotische Bauwerk Siebenbürgens, ausgestattet mit reicher Steinplastik. Ein weiterer Halt fand in der Kreisstadt Deva / Diemrich / Déva statt. Im Stadtzentrum, unterhalb der imposanten hochgelegenen alten Burganlage (erbaut ab dem 13. Jh.) machten wir eine Pause. Der nächste Halt fand am Kloster Maria Radna bei Lipova statt. Diese als Franziskanerkloster (ab dem 17. Jh.) erbaute Stätte mit großer barocker Kirche (ab 1756 erbaut) ist der bedeutendste Wallfahrtsort des Banats für die hier – auch nach weitgegenden Wegzug der Schwaben – vielen Katholiken und griechischen Katholiken der Gegend. Kurz danach trafen wir in Arad ein, wo wir einen Rundgang durch das gut instandgehaltene, sehr lebendige Zentrum machten. Im Hotel Continental im Zentrum von Arad fand ein festliches Abschiedsessen statt, danach ging es Richtung Ungarn weiter. Im stundenlangen Verkehrschaos am berüchtigten Grenzübergang Nadlac wurde abschliessend unser Bus noch beinahe „zerquetscht“. Die letzte Übernachtung fand im südungarischen Kecskemét statt, von wo aus wir am 20. 9. frühmorgens schnell Budapest erreichten, um den Flug nach Berlin zu nehmen. Als Fazit bleibt, dass mit sehr vielen guten Begegnungen die Kenntnisse über Land und Leute deutlich vertieft werden konnten. Immer wieder stellten sich aber gemischte Gefühle bezüglich der „Landesentwicklung“ ein, die auch im Jahre Eins der EU – Mitgliedschaft noch alles andere als konsolidiert erscheint.