Als Schriftsteller wurde Pfarrer Eginald Schlattner aus Rothberg/Roșia ab den 1990er Jahren berühmt. Seine Romane, in das Schicksal Siebenbürgens verwoben, mit unverkennbar autobiographischen Bezügen, erreichten in Deutschland hohe Auflagen. Als im Jahr 2000 „Rote Handschuhe“ erschien, entfachten sich erneut die alten, bis heute andauernden Kontroversen um das Verhalten des Autors in jungen Jahren. Der Roman thematisiert seine eigene Haftzeit und Verurteilung in den 1950er Jahren. Er spielt zu einem großen Teil in einer Gefängniszelle der rumänischen Securitate, in der Schlattners Alter Ego festgehalten und zur Denunziation gegen seine Schriftstellerkollegen gezwungen wird. Er soll Informationen über Freunde und Kollegen, ja über seinen eigenen Bruder liefern. Unter dem massiven Druck bricht er letztendlich zusammen und wird zum Hauptbelastungszeugen.
„Rote Handschuhe“ bezieht sich auf den „Schriftstellerprozeß“ von 1959 im rumänischen Kronstadt: in einem Schauprozess gegen eine Gruppe junger Schriftsteller der deutschen Minderheit wurden fünf Angeklagte zur insgesamt 95 Jahren Haft und Arbeitslager verurteilt und 1968 freigelassen. Eginald Schlattner wurde später beschuldigt, als „Kronzeuge“des Schauprozesses die Angeklagten belastet zu haben – ein Vorwurf, der in der rumäniendeutschen Szene untrennbar mit der Rezeption von „Rote Handschuhe“ und der Aufarbeitung des Schriftstellerprozesses verbunden ist.
Zum „Fall Schlattner“ präsentieren die Referenten neue Erkenntnisse aufgrund von jahrelangen Recherchen. Im „Fall Schlattner“ wurden, wie sie nachweisen, Akten manipuliert, Übersetzungen verfälscht, bestellte Gutachten vorgelegt. „Es konnten“, so Michaela Nowotnick, „Mechanismen ausfindig gemacht werden, die Gerüchte zu Wahrheiten werden lassen“. Diskutiert werden muss, inwieweit diese Forschungsergebnisse ein neues Licht auf den „Fall Schlattner“ werfen.
ReferentInnen:
Dr. Michaela Nowotnick, Literaturwissenschaftlerin am Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität Berlin. Dissertation zum Thema „Die Unentrinnbarkeit der Biographie. Eginald Schlattners Roman ‘Rote Handschuhe’ – Eine Fallstudie zur rumäniendeutschen Literatur nach 1945“. Mitarbeit am Projekt zur „Erfassung und Notsicherung in Privatbesitz befindlicher Quellen und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur in Rumänien“.
William Totok, rumäniendeutscher Schriftsteller, Publizist. Mitbegründung der Schriftstellervereinigung „Aktionsgruppe Banat“ (1972-75); wegen „Verbreitung staatsfeindlicher Gedichte“ 1975/76 in Haft. Forschungen und zahlreiche Publikationen zur Securitate.